Es ist wahrlich keine Neuigkeit, wird doch seit den 70igern über den Demografischen Wandel berichtet. Die Überalterung in den Behörden Deutschlands ist nun auch nicht gerade ein Geheimnis:
Es herrscht Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst.
Man hätte es also wissen können. Spät, aber noch nicht zu spät, beginnen heute immer mehr Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, in Personalgewinnung und -marketing zu investieren. Wie einfach das gehen kann, zeigt folgendes Interview:
Sei dankbar, Dich bewerben zu dürfen!
Eine Steigerung der Reichweite durch mehr Kanäle hilft hier nicht weiter. Selbst da, wo das schicke externe Personalmarketing die Zielgruppe erreicht, klafft eine große Lücke zum Bewerbungsprozess. Der mühsam geworbene Bewerber trifft vielerorts auf langwierige und unverständliche Bewerbungsformulare. Immer noch werden Vorstellungsrunden wie mündliche Prüfungen geführt.
Es mangelt zu oft an Wertschätzung
Das Problem ist das Mindset in den Behörden und Personalabteilungen. Trotz verschiedener Personalmarketingaktivitäten hält sich das unausgesprochene Kredo im öffentlichen Dienst hartnäckig, dass der Bewerber froh sein kann, sich bewerben zu dürfen. Er ist Bittsteller und wird auch so behandelt. Wertschätzung und Augenhöhe zwischen Arbeitgeber und Bewerber sieht anders aus.
Einstellung ist Einstellungssache
Der Landkreis Darmstadt-Dieburg hat den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst nicht nur erkannt, sondern tut tatsächlich etwas dagegen. Man hat hier genau dort angepackt, wo es um das Selbstverständnis als Arbeitgeber gegenüber den Bewerbern geht: Wertschätzung in der Kommunikation und eine Begegnung auf Augenhöhe.
Frau Bettina Mehner, Referentin Personalmarketing im Landkreis Darmstadt-Dieburg, gibt im Interview Auskunft über Maßnahmen und ersten Erfolge:
Hallo Frau Mehner! Schön, dass Sie Zeit für das Interview haben. Stellen Sie sich und Ihren Arbeitgeber doch gerne kurz vor.
Hallo! Der Landkreis Darmstadt-Dieburg – oder auch liebevoll LaDaDi genannt – liegt in der Rhein-Main-Region, etwa 30 km südlich von Frankfurt. In unserem Kreis leben fast 300.000 Menschen, für die unsere ca. 1.800 Mitarbeiter_innen täglich Ihr Bestes geben.
Der LaDaDi schreibt jährlich ca. 150 Stellen extern aus. Neben dem klassischen Verwaltungspersonal suchen wir immer wieder Mitarbeiter_innen aus Sozialen Berufen, aber auch Ingenieure, Juristen, BWL‘ler, IT‘ler oder auch mal Tiermediziner. Hin und wieder wird es ganz speziell, wie neulich, als wir die Leitung des Archivs besetzt haben.
Bezüglich der Personalgewinnung stehen wir im Wettbewerb mit anderen Kommunen. Auch mit der freien Wirtschaft stehen wir in Konkurrenz. Gerade hier sehe ich den LaDaDi im Nachteil, denn viele Menschen wissen nicht, welche Aufgaben eine Kreisverwaltung hat. Wie sollen sie dann darauf kommen, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind? Dieser Herausforderung stelle ich mich sehr gerne.
Vielen Dank!
Was haben Sie denn nun genau geändert in der Ansprache der Bewerber?
Zunächst einmal haben wir uns intensiv mit unseren Stellenausschreibungen beschäftigt. Glichen Sie früher eher einem formalen Bescheid, versuchen wir heute, die Texte attraktiver, persönlicher und vor allem wertschätzender zu gestalten.
Dabei darf man nicht vergessen, dass wir in den meisten Fällen eigentlich keine Bewerber mehr vor uns haben, sondern Umworbene. Aus diesem Grund versetzen wir uns in die Lage der Bewerber und fragen uns, welche Informationen für sie von Bedeutung sind. Wir kommunizieren nun wesentlich wertschätzender.
Ansprechbar sein
Das klingt sehr gut! Haben Sie ein paar Beispiele?
Bei den Stellenausschreibungen beginnt es bereits mit dem Stellentitel. Wir versuchen, unsere Stellen aussagekräftiger zu benennen. Nur kurz gehen wir auf die Aufgabenbeschreibung des Landkreises und den ausschreibenden Fachbereich ein. Auch in der Aufgabenbeschreibung und dem Anforderungsprofil verzichten wir auf unnötige Floskeln.
Daneben benennen wir konkrete Ansprechpartner und integrieren nun auch Fotos dieser Personen in die Ausschreibungen. Sie geben dem LaDaDi im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht.
Bezüglich unserer Kommunikation denke ich mit Schrecken daran, dass wir früher in unseren Einladungen zum Vorstellungsgespräch darum baten, bei uns „vorzusprechen“. Heute kommunizieren wir auf Augenhöhe. Wir drücken aus, was wir empfinden:
Wir freuen uns auf das Gespräch!
Des Weiteren möchten wir mehr Transparenz herstellen. Der Bewerbungsprozess im öffentlichen Dienst unterscheidet sich in einigen Punkten von dem in der freien Wirtschaft. Diese erläutern wir vorab. Der Bewerber kann sich so darauf einstellen.
Wie sind die Reaktionen der Bewerber? Wird vielleicht sogar eher der Kontakt gesucht oder bekommen Sie ein Feedback in den Runden?
Das Feedback ist sehr positiv. Eine Bewerberin, die ich im Anschluss an ein Verfahren zu ihrer Zufriedenheit mit unserem Bewerbungsprozess befragte, sprach von der „nettesten und sympathischsten Eingangsbestätigung“, die sie je erhalten habe.
Eine Kollegin berichtete mir neulich, eine Bewerberin hätte sie im Vorstellungsgespräch gefragt, ob sie beim Friseur war. Offenbar war ihr aufgefallen, dass die Kollegin die Haare etwas kürzer trug als auf dem Foto in der Stellenausschreibung. Man mag darüber schmunzeln, aber für mich zeigt diese Begebenheit, dass Fotos unserer Kollegen helfen, eine persönliche Beziehung aufzubauen.
Formularbewerbung geht auch schlank
Soweit zur Kommunikation. Haben Sie aber auch etwas am Bewerbungsprozess geändert? Hier ist der öffentliche Dienst ja eher ein Arbeitgeber, der mehr als weniger Informationen verlangt.
Seit 2012 nutzen wir Interamt nicht nur als Stellenbörse sondern auch deren Bewerbungsmanagementsystem.
Wir starteten mit einem umfangreichen Bewerberbogen. Die Idee war damals, die Bewerberdaten schnell und einfach auswerten zu können, um unsere Verfahren zu beschleunigen. Diese Vorstellung hat sich jedoch als völlig unrealistisch erwiesen.
In der Praxis ist es so, dass die meisten Bewerber ihren Lebenslauf und sonstige Unterlagen bereits im PDF-Format vorliegen haben. Einer meiner ersten Schritte als Referentin für Personalmarketing war daher, den Bewerberfragebogen drastisch zu verkürzen. Wir fragen neben den Kontaktdaten nur noch die derzeitige Tätigkeit und den Studienabschluss ab.
Schön wäre noch eine Art One-Click-Bewerbung, beispielsweise aus dem Xing-Profil heraus. Soweit sind wir allerdings leider noch nicht.
Die Absage: Einfach mal Wertschätzung zeigen
Auf die Frage, warum Absageschreiben im öffentlichen Dienst ausschließlich schriftlich und mit möglichst wenig Text verschickt werden, lautet die Antwort in der Regel: „AGG“.
Dabei sind die Folgen einer Absage ohne Feedback gravierend: Der Bewerber wird frustriert und ratlos zurückgelassen. Mit einer nochmaligen Bewerbung ist da eher nicht zu rechnen.
Was tun Sie auf diesem Gebiet?
Das „AGG-Schreckgespenst“ treibt auch bei uns sein Unwesen. Allerdings darf es keine Ausrede dafür sein, nicht wertschätzend zu kommunizieren. Auch abgelehnte Bewerber sprechen mit Freunden und Verwandten über ihre Erfahrungen. Wir wollen deshalb unbedingt, dass er möglichst positiv von uns spricht.
Der Bewerber verbindet gewisse Hoffnungen mit seiner Bewerbung und ist bei einer Absage enttäuscht. Darauf gehen wir ein und würdigen die Mühe, die er sich mit seiner Bewerbung gemacht hat. Wir verdeutlichen, wie knapp Einstellungsentscheidungen häufig sind und dass es oft nur Nuancen sind, die über die Besetzung einer Stelle entscheiden. Außerdem ermutigen wir ihn, sich erneut bei uns zu bewerben.
Bereits mehrfach bekamen wir positive Rückmeldungen auf unsere Absagen. Die Bewerber fühlten sich – trotz Absage – motiviert und wertgeschätzt. Für sie war das offenbar so ungewöhnlich, dass sie das Bedürfnis hatten, sich dafür zu bedanken. Über solche Reaktionen freuen wir uns natürlich sehr.
Toll. Ich bin überzeugt, dass der Landkreis Darmstadt-Dieburg damit auf dem richtigen Weg ist und die Maßnahmen auch nach Innen ausstrahlen.
Notwendig ist ein Kulturwandel in allen Köpfen. Jedem muss klar sein, dass wir im öffentlichen Dienst inzwischen in einem knallharten Wettbewerb um Personal stehen.
Daher müssen wir den Blick auch nach Innen richten. Wenn wir uns authentisch als Arbeitgeber darstellen möchten, müssen wir wissen, wer wir sind und was uns als Arbeitgeber ausmacht.
Die Karriereseite als Visitenkarte des Arbeitgebers
Wie geht es weiter? Was sind Ihre nächsten Schritte im Personalmarketing des Landkreises Darmstadt-Dieburg?
Wir planen den Aufbau einer eigenen Karriere-Website. Momentan sind wir hier noch nicht gut aufgestellt. Das ist die nächste, große Baustelle. Potenzielle Bewerber sollen sich zielgruppengerecht informieren können und einen authentischen Einblick erhalten, wie es ist, beim Landkreis Darmstadt-Dieburg zu arbeiten.
Auch planen wir eine Befragung unter unseren Mitarbeitern, denn nur sie können uns sagen, was ihnen wichtig ist und was sie am LaDaDi als Arbeitgeber schätzen. Für uns bedeutet das, vor allem genau zuzuhören.
Daneben setzen wir gerade in Bereichen, in denen es heute bereits sehr schwierig ist, Personal zu finden, verstärkt auf Active Sourcing und sind diesbezüglich auch auf Xing unterwegs.
Frau Mehner, vielen Dank für das Interview. Schön zu sehen, wie Sie sich mit diesen Maßnahmen von ihren Mitbewerbern im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft positiv und damit erfolgreich bei der Personalgewinnung abheben.
Ich wünsche Ihnen daher nicht nur viel Erfolg, sondern vor allem Spaß bei der Umsetzung ihrer tollen Pläne.
Herzlichen Dank!
Mehr erfahren Sie direkt von Frau Mehner via Xing.
Wenn auch Sie Ihre Vistenkarten als Arbeitgeber – Stellenanzeigen, Karriereseiten und Recruitingprozess – optimieren möchten, sprechen Sie mich gerne an.
Herzliche Grüße,
Stefan Döring