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Kann das weg?

Ist das Personal­marketing oder kann das weg?

Personalmarketing erlebt ein Comeback. Zumindest wird wieder viel in den Unternehmen investiert. Hintergrund ist vielleicht, dass es langsam weh tut, das Stellen nicht, nicht mit den richtigen oder erst sehr spät besetzt werden können.

Gutes Personalmarketing ist dabei aufwendig. Unternehmen wollen es aber lieber einfach. Aber kann das gut gehen?

Was ist gutes Personalmarketing?

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es einer Definition. Ich bin da eher pragmatisch: Der Arbeitgeber beschäftigt sich bestenfalls mit seiner Arbeitgebermarke. Nennt man auch Employer Branding. Um zu wissen, wen er wo mit welchem Inhalt anspricht, definiert er auch noch seine Zielgruppe. Personalmarketing ist dann das Transportieren der Arbeitgebermarke an selbige, um als der attraktive Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, der man ist.

Personalmarketing richtig verstanden

Eigentlich ist damit die Antwort auf die Frage nicht schwer: Externes Personalmarketing hat den Zweck, Stellen zu besetzen. Somit ist Personalmarketing eine HR-Dienstleistung für Fachabteilungen und Recruiter. Oder wie es Florian Schrodt auf der #smrc16, zitiert von Henrik Zaborowski, so treffend formuliert:

Ja, es lebe die Relevanz in der Arbeitgeberkommunikation! Nicht die Coolness!

Klingt einfach, scheint es aber nicht zu sein. Denn nur wenige Unternehmen gehen diesen aufwendigen Weg und suchen stattdessen lieber Abkürzungen.

Ehrlich währt am Längsten

Ich habe HR-Studenten als Seminaraufgabe eine Stellenanzeige eines fiktiven Beratungsunternehmens gegeben. Der gesuchte Junior-Berater sollte nicht nur Bestnoten haben, sondern rund um die Uhr arbeiten. Der Text der Anzeige machte klar, dass Privatleben oder eine Beziehung die nächsten Jahre nicht nur unrealistisch, sondern auch unerwünscht ist. Auch sagte der Arbeitgeber, dass der Kandidat realistischerweise spätestens nach 3 Jahren seine Karriere beenden werde, weil er dann „durch“ ist. Keine Personalentwicklung, keine Personalvertretung, kein Gesundheitsmanagement. Dafür hatte das Unternehmen einiges zu bieten: ein extrem hohes Gehalt, was die Kandidaten in die Lage versetzt, sich ihren nächsten Job in Ruhe aussuchen zu können. Außerdem erlangt man Zugang zum Netzwerk des internationalen Top-Management und Unterstützung für eine Promotion an einer Elite-Universität.

Fragestellung an die angehenden HRler:

Ist das gutes Personalmarketing?

Antworten der Mehrheit der Studenten:

Nein!

Falsch, denn das Unternehmen macht mit dieser Anzeige vieles richtig.

Natürlich findet keine Auseinandersetzung mit einem auf die Zukunft ausgerichteten IST im Employer Branding statt. Personalmarketing bedeutet aber vor allem, einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen und dem Bewerber bei der Entscheidung zu helfen, ob der Arbeitgeber passt. Dafür braucht es vor allem Ehrlichkeit. Und ehrlich ist das Unternehmen: Offen wird gesagt, wer man ist und was man bietet. Auch wird ehrlich formuliert, wo man eher ein Dark Place To Würg ist. Die Anzeige differenziert und spricht ganz klar nur einen bestimmten Typ von Bewerbern an. Werden sich diese bewerben? Ich bin überzeugt: Ja, denn sie wissen durch die Anzeige, worauf sie sich einlassen.

Wenn man so Stellen besetzt, macht man im Personalmarketing alles richtig. Die wenigsten Unternehmen sind aber so ehrlich wie in meinem Beispiel.

Bling-Bling

Warum sehen das die Studenten anders? Weil sie wie viele ihrer Kollegen in der Praxis gutes Personalmarketing danach beurteilen, ob es ihnen selber gefällt. Mehr noch, viele wollen einen Preis für ihr Personalmarketing gewinnen. Mit der Zielgruppe hat das nicht viel zu tun. Und was für Awards es da gibt. Ich kenne Personaler, die selber den Kopf schütteln angesichts der Tatsache, dass ihr Unternehmen nominiert oder ausgezeichnet wurde. Und in Kombination mit dem Verzicht auf Definition der Zielgruppe ist das kein gutes Personalmarketing.

Personalmarketing als Ziel

Vor einigen Jahren habe ich eine JobAd2.0 geschaltet. Erinnert sich noch jemand an die JobAd2.0? Wenn nicht: sie ist tatsächlich noch online [Update 11.10.16: Die Anzeige ist offline] Kaum live, war da der wunderbare Henner Knabenreich, der darüber bloggte, dass es der Anzeige an Usability fehlt. Im ersten Moment war ich verärgert. Grundlos, denn Henner hatte mit allem Recht. Und ich hatte auch deshalb keinen Grund, mich zu ärgern, denn Klickzahlen, Stehzeit auf der Anzeige und Bewerberzahlen stiegen deutlich. Im Ergebnis konnten alle Stellen besetzen werden, obwohl der öffentliche Gesundheitsdienst alles andere als mit Fachkräften gesegnet ist.

War das erfolgreiches Personalmarketing? Ja. Für die Zielgruppe hatte die Anzeige gepasst.

Ist die Anzeige Preis-Verdächtig? Nein. Henner hat ausführlich dargelegt, warum nicht.

Ok, Klappern gehört zum Handwerk. Aber wäre es nicht besser, dass gutes Personalmarketing durch die Besetzung von Stellen belohnt wird? Brauchen wir nicht HR-Awards, bei denen der Nachweis für die erfolgreiche Besetzung von Stellen erforderlich ist? Ich lasse die Fragen mal so stehen und sage es erneut mit den Worten von Henrik Zaborowski, der auf seinem Blog immer wieder inspirierend über Recruiting schreibt.

„Einheitsbrei“ schrieb der Harvard Business Manager. Ja, es kann ganz schön langweilig sein im Personalmarketing. Man kopiert von anderen („Weil alle heute Personalmarketing machen, müssen wir auch“) oder verzichtet auf Definition der Zielgruppe und versucht Alle und Jeden anzusprechen.

Personalmarketing ohne Zielgruppe

Im ersten Moment erscheint das Weglassen der Zielgruppendefinition die Sache mit dem Personalmarketing zu vereinfachen. Dafür kostet es um so mehr. Fehlt der Kompass, muss man größer sein als andere, jede Messe besuchen und jeden Kanal bedienen. Man schießt mit Kanonen auf Vogelschwärme, um zufällig einen Spatz zu erwischen. Also eher keine Stellenbesetzung und damit kein gutes Personalmarketing

Tarnen und Täuschen

Die Personalabteilung eines Unternehmens beklagte vor einiger Zeit, dass die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung an die Regionalpresse durchgesickert sind. Der Bericht war wenig schmeichelhaft, reduzierte er die Befragung doch auf ihre negativen Ergebnisse. Ein Personalmarketing-Super-Gau?

Wenn man bei der oben aufgestellten Definition von gutem Personalmarketing bleibt, ist das doch aber das Beste, was passieren konnte. Viele meiner Kunden sind als Arbeitgeber vollkommen unbekannt. Wenn der Arbeitgeber nun plötzlich mit einer solchen Befragung in der Presse steht, dann ist dies eine große Chance, die das Personalmarketing nur ergreifen muss: ehrlich die Baustellen ansprechen, die positiven Rückmeldungen der Befragten platzieren und die Umsetzung der aus der Befragung entwickelten Maßnahmen in der Presse, auf der Homepage, im Blog und in den Social Media begleiten. Zielgruppengerecht aufbereitet, versteht sich. Es könnte so einfach sein.

Wo liegt also das Problem? Das genau DAS nicht passiert: Alibibefragungen, deren Ergebnisse in Schubladen verschwinden und Employer Branding, das nicht das IST,  sondern ein fiktives SOLL beschreibt. Die Arbeitgebermarke als Ausdruck, wie man sich selbst gerne als Unternehmen sehen würde. Wenn man tatsächlich die Zielgruppe definiert, dann nur vor dem Hintergrund, sich dieser als Wunsch-Arbeitgeber zu präsentieren. Stellen besetzen kann man natürlich auch, wenn man eine Traumwelt zeichnet.

Personalmarketing des Solls

Warum ist genau DAS massenweise der Fall? Weil es einfach ist. Und weil das vermittelte Bild besonders einem gut gefällt: Dem Personaler.

Ich vergleiche das gerne mit dem Schminken. Tonnenweise wird Schein und Rauch auf die Realität gespachtelt. Natürlich hält das nur bis zum ersten Regenschauer Arbeitstag und der Bewerber ist ganz schnell wieder weg. Gutes Personalmarketing ist das nicht.

Aber ich tue dem Schminken unrecht. Dezente Schminke verstärkt die Vorzüge und tönt die Nachteile etwas ab. Ohne sie weg zu kleistern. Das muss auch im Personalmarketing erlaubt sein 😉 Dieses Schminken Personalmarketing ist eine Kunst und will gelernt sein.

 

Sicherlich gibt es dazu unterschiedliche Meinungen und ich freue mich sehr auf Eure Kommentare und Kritik!

Stefan Döring

Dieser Beitrag erschien zuerst auf personalblogger.net

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