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Cultural Fit

Cultural Fit – die unterschätzte Größe in der Personalgewinnung

Cultural Fit – Es menschelt immer und überall. Im Arbeitsalltag kann das Projekte und Prozesse erheblich unterstützen oder eben auch deren Erfolg komplett verhindern.

Das Mit-Einander-Auskommen entscheidet auch über das Verhältnis von Kunde und Dienstleister. Wer würde schon einen Anbieter beauftragen, dessen Vertreter unsympathisch ist? Was jeder vom Kundengespräch mit Reiseagenturen, Handwerkern und Rechtsanwälten kennt, betrifft natürlich auch den Recruiter im Kontakt mit Bewerbern.

Diese Beispiele zeigen die Wichtigkeit des Cultural Fit. Die menschliche und auch die kulturelle „Passung“ ist für den Erfolg von Teams, Fortbildungen, Veränderungsprozessen und im Recruiting elementar wichtig. Dennoch wird dieser Umstand von Personalabteilungen oft unterschätzt. Wie das mit dem Cultural Fit funktioniert, lesen Sie hier im Blogbeitrag.

Was gute Personalmarketeer und Recruiter ausmacht

Menschen werden nicht rekrutiert, sondern umworben, überzeugt, gewonnen. Gerade im Fachkräftemangel sind die Zeiten des entspannten Wartens auf Bewerber vorbei. Der Personaler muss daher im besten Sinne ein „Menschenfänger“ sein:

  • Bewerber, Messebesucher oder Kandidaten im Active Sourcing mit Argumenten überzeugen.
  • Vertrauen zu Kandidaten aufbauen, gerade wenn diese angesprochen werden.
  • Vorurteile und Vorbehalte im Gespräch entkräften – sowohl gegenüber Bewerbern als auch bei den Mitarbeitern der Fachabteilung.
  • Dafür braucht es Gespür für die Kultur in den Fachbereichen, für das Teamgefüge oder Führungsverhalten von Vorgesetzten.
  • Glaubhafter Markenbotschafter der Organisation und damit Vorbild sein.

 

Wir brauchen in den Personalabteilungen mehr Profis
mit Expertise in Sales, Marketing und in der Kundenakquise.

All das sind wichtige Fähigkeiten für Recruiter und Mitarbeiter im Personalmarketing. Um so spannender, dass dies so gut wie keine Rolle in der Ausbildung von Personalern spielt. Auch in entsprechenden Stellenanzeigen sind diese Kompetenzen nur sehr selten Einstellungskriterium. Da stellt sich schon die Frage nach der Professionalität von HR.

Warum die Beschäftigung mit dem Cultural Fit für HR wichtig ist

Die Kultur einer Organisation kann man nicht in 3 Sätzen beschreiben. Man spürt sie. Auch eine Arbeitgebermarke kann Kultur nur mit Beispielen ein Stück weit sichtbar machen.

Die Kultur besteht aus Grundannahmen, Werten, Normen und Überzeugungen. Wichtig zu wissen ist, dass es in Organisationen nicht nur eine Kultur gibt. Es ist völlig normal, wenn Abteilungen und Teams eigene Kulturen entwickeln, die im Idealfall aber einen starken, gemeinsamen Nenner haben.

Organisationskultur hat einen entscheidenden Einfluss auf das Handeln der Mitarbeiter. Sie bietet Orientierung, stärkt das Wir-Gefühl und hat einen integrativen Effekt im Sinne einer Corporate Identity.

Eine Organisationskultur kann zum Beispiel durch das Interpretieren von Umweltbedingungen und das Verhalten von Vorbildern verändert werden. Führungskräfte haben hier eine besondere Rolle.

Nur wenn die Kultur zwischen Organisation und Bewerber passt, fühlt sich ein neuer Kollege wohl und erledigt seine Aufgaben gerne und engagiert. Es ist also in der Personalgewinnung erfolgsrelevant, die Passung zur Kultur zu messen: Bewerber wissen, worauf sie sich einlassen. Frühe und vor allem teure Fluktuation oder – noch schlimmer – Frust und innerliche Kündigung aufgrund falscher Erwartungen werden so vermieden.

Erwartete Vorteile kultureller Passung von Bewerbern
Erwartete Vorteile kultureller Passung von Bewerbern, Quelle: Cultural Fit Studie 2016, meta HR Unternehmensberatung GmbH und Employour GmbH -an embrace company

 

Es kann wichtig sein, jemanden einzustellen,
der in entscheidenden Punkten der Organisationskultur widerspricht.

Auch der Cultural-Missfit kann ein Ziel sein. Warum? Damit sich intern etwas verändert! Wichtig ist dabei, dass diese Entscheidung im Unternehmen bewusst getroffen und vorab kommuniziert wird. Der Kandidat muss darüber hinaus mit ausreichender Macht und Befugnissen ausgestattet werden, um die Veränderung tatsächlich anstoßen zu können.

Gibt es eine Public-Kultur?

Immer wieder höre ich, dass der Public Sector „anders“ tickt. Und nein, diese Aussagen sind eher nicht schmeichelhaft: Der öffentliche Dienst wäre starr, langsam, hätte ein ausgeprägtes Silodenken und Veränderungen würden nur extrem zäh umgesetzt.

Diese Statements sind Ausdruck eines fehlenden Cultural-Fits. Weil die kulturelle Passung nicht erhoben wurde, kam es zu Einstellungen, die für beide Seiten unglücklich endete. Bewerber oder externe Partner hatten falsche Vorstellungen und wurden enttäuscht.

Fraglich ist, ob diese Meinungen für die Branche an sich stehen. Aus zwei Gründen halte ich dagegen:

  • So pauschal kann man das nicht sagen. Ich kenne viele Organisationen des öffentlichen Dienstes, auf die das ganz und gar nicht zutrifft.
  • Ob Konzern oder Mittelstand – ich kenne aber auch viele Wirtschaftsunternehmen, die sind noch unflexibler.

Branchentypisch scheint mir eine solche Kultur daher nicht zu sein. Ohne wissenschaftliche Belege zu haben, würde ich eher auf einen in diesen Organisationen ähnlichen Führungsstil tippen.

Es gibt aber auch positive Eigenschaften, die einer Public-Kultur zugerechnet werden: Nach meiner Erfahrung sind im öffentlichen Dienst ein sehr guter Kollegenzusammenhalt, eine von Sinnhaftigkeit geprägte Kultur sowie ein gegenüber der Wirtschaft deutlich höhere Akzeptanz und Berücksichtigung von privaten Umständen der Beschäftigten im Sinne einer Work-Life-Balance vorhanden. Aber auch das ist ohne Zweifel zu pauschal. Dennoch können solche Themen den Unterschied ausmachen, wenn es um den Wettbewerb um Talente geht. Gerade hier kann der öffentliche Dienst punkten.

Ob nun positive oder negative kulturelle Unterschiede – Es ist wichtig, die Organisations- oder Branchenkultur zu thematisieren. Nur mit der Kenntnis über die eigene Kultur kann HR glaubhaft Personalmarketing betreiben und im Recruiting Dinge versprechen, die auch zu halten sind. Zu wissen wo man steht, hilft zudem, sich weiterzuentwickeln.

Expertenforum Public Sector @ TALENTpro

Wer mehr zum Thema Cultural Fit wissen möchte, den lege ich das Expertenforum Public Sector auf der TALENTpro am 13. März in München ans Herz.

Hier treffen sich Personaler aus Behörden, Ämtern, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Universitäten, Verbänden, NGOs und anderen Vertretern des öffentlichen Dienstes zum Austausch rund um das Thema Personalgewinnung.

Lisa Julie Adler, Teamleitung Projektmanagement der CYQUEST GmbH, wird an Beispielen erläutern, wie man kulturelle Passung messen und im Personalmarketing erlebbar machen kann – auch im öffentlichen Dienst. Stellen Sie Ihre Fragen und tauschen Sie sich mit andere Personalern dazu aus.

Hier geht es zur Anmeldung:

Zum Expertenforum Public Sector @ TALENTpro

Das Ticket zum Expertenforum gilt im Übrigen für die gesamte zweitägige Messe! Ich freue mich, Sie auf dem Expertenforum begrüßen zu können.

3 Gedanken zu „Cultural Fit – die unterschätzte Größe in der Personalgewinnung“

  1. Danke Stefan!
    Auch wenn das Anschreiben nicht mehr unbedingt von Personalern gelesen wird (laut Umfragen), empfehle ich Bewerbern dennoch – nach einer eingehenden Selbstreflexion, wie Du sie auch empfiehlst – das Bewerbungsanschreiben zu nutzen, um die eigene Persönlichkeit mit Stärken, Motivation und Nutzen daraus für ihren passenden Wunsch-Arbeitgeber nachvollziehbar (z. B. durch Storytelling) darzustellen.
    Da hoffe ich bloß, dass dann diese inhaltlich herausstechenden Anschreiben auch gelesen werden…

  2. Als BewerberCoach empfehle ich Bewerbern, neben ihrer fachlichen Eignung vor allem auch ihre persönliche herauszubringen. Meiner Meinung wird es früher oder später in Zeiten zunehmender Automatisierung und Digitalisierung den entscheidenden Unterschied und Mehrwert gegenüber den Maschinen und Computern machen.
    Bei Bewerbern ist es jedoch offensichtlich noch nicht in der Breite angekommen, wie wertvoll die eigene Persönlichkeit ist. Andererseits sagen Umfragen, dass Personaler sich vorrangig mit dem Lebenslauf von Bewerbern beschäftigen, die eher weniger Rückschlüsse auf die persönliche Passung eines Kandidaten zulassen. Da kann ich eine gewisse Ratlosigkeit der Bewerber gut nachvollziehen.
    Was empfehlen Sie Bewerbern, ob und wenn ja wie sie sich für den Cultural-fit zeigen sollten?

    1. Hallo Christian Rahe,

      Danke für den Gedanken!
      Ich gebe Dir Recht, dass es auf die Persönlichkeit ankommt, gerade beim Cultural Fit. Fachlichkeit wird auch geprüft, aber eben genau nicht in diesem Zusammenhang. Das dieser Umstand bei Bewerbern nicht ankomment, hat 2 Ursachen: Zum einen sind es leider immer noch vorhandene schlechte Ratgeber und Schulungen für Bewerber. Diese sind leider oft auf dem Stand der 70iger inkl. Postmappe etc. Zum anderen verhält es sich genau, wie von Dir geschrieben: Bewerber erleben in der Auswahlpraxis in Organisationen, dass es auf Persönlichkeit nicht ankommt.

      Wenn Organisationen mehr auf Persönlichkeit setzen, werden Bewerber sich entsprechend vorbereiten. Bei vielen Personalabteilungen fehlt es an Wissen dazu. Viele haben offensichtlich auch noch nicht genug Schmerzen im Fachkräftemangel. Aber ich bin überzeugt, dass die Persönlichkeit und der Cultural Fit zukünftig sehr viel wichtiger werden wird – für beide Seiten.

      Ich empfehle Bewerbern, sich Gedanken über ihre Werte, Einstellungen und bevorzugte Arbeitsweise zu machen. Das Gespräch mit der Führungskraft und HR ist ein guter Zeitpunkt, entsprechende Fragen zu stellen. Bereits die Frage an sich, ist ein Blick auf das, was dem Bewerber persönlich wichtig ist. Dann kann der Bewerber entscheiden: Will ich dort arbeiten oder passt die Kultur nicht zu mir. Einige Bewerber werden durch Personal Branding in den sozialen Netzwerken oder auf einem Blog ebenfalls ihre Persönlichkeit transportieren können.

      Wichtig ist, dass auch Bewerber ihr Mindset ändern: Die Persönlichkeit zu verstecken, vor Angst, Jobs nicht zu bekommen, hilft niemanden. Unter Umständen ist man dann frustriert und unglücklich im Beruf. Wer will das schon?

      Viele Grüße, Stefan Döring

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