Was spülte mir da am Montag der Crosswater Job Guide in die Timeline? Eine Personalmarketingkampagne der Kommunen in Baden-Württemberg. Super!
Unter dem Motto „Wir machen’s öffentlich!“ geht es darum, seine Zukunft im öffentlichen Dienst zu planen. Als Anhänger dieser bei weitem unterschätzten Branche und neugierig wie ich bin, habe ich mir die Seite gleich angesehen. Fazit: Vielfältig, wertschätzend und schick. Es bleiben aber viele wichtige Punkte liegen. Warum das so ist, folgt hier im Bericht über den ersten Eindruck:
Gemeinsam gegen Unkenntnis und Vorurteile über den öffentlichen Dienst
Auf jeder Veranstaltung und in jedem meiner Artikel zum Thema Personalgewinnung und Employer Branding im öffentlichen Dienst ende ich immer mit dem Aufruf an die Spitzenverbände, hier endlich tätig zu werden. Die Bewerbungs- und Schülerzahlen gehen seit Jahren zurück und in einigen Berufen ist der Fachkräftmangel schon lange Alltag. Natürlich richtet sich der Aufruf an alle Arbeitgeber, aber keine Kommune kann allein gegen die vielfältigen Vorurteile über das Arbeiten im öffentlichen Dienst angehen. Nur gemeinsam als Branche hat man genügend Kraft dazu.
Offensichtlich hat man in Baden-Württemberg nicht nur erkannt, dass das mit der Personalgewinnung nicht ganz so einfach ist. Gegenüber allen anderen Spitzenverbänden ist man im dortigen Städtetag tatsächlich tätig geworden. Und das ist uneingeschränkt großartig!
Wobei, der Erste war man nicht. Die Unverzichtbaren haben sich dieser Herausforderung auch schon gestellt. Und das ist eine echtes Novum, denn hier hat die Gewerkschaft dbb beamtenbund die Zeichen der Zeit erkannt und nicht die Arbeitgeber. Was den Unverzichtbaren sogar ein bisschen besser gelingt, ist die Branche gegenüber der Wirtschaft zu positionieren. Das fällt bei der neuen Kampagne etwas dünn aus.
Der erste Eindruck: Google- und Smartphone-tauglich
Also ran und bei google den Slogan eingegeben. Ergebnis: An 9. Stelle taucht die Domain auf, vorher schon die Videos auf youtube. Naja… ok.
Was mir aber an 4. Stelle begegnet, bestätigt meine Skepsis angesichts des Slogans „Wir machen’s öffentlich!“ Das kann man auch falsch verstehen und google tut genau das: Es geht um Sex. Ich gehe davon aus, dass man über diesen Slogan lange diskutiert hat und hoffen wir, dass den Machern die Mehrdeutigkeit bewusst war.
Dann gleich der Test mit dem Smartphone mit dem Ergebnis: nicht optimal. Zumindest nicht auf Android, hier werden einige Bilder durcheinander gewürfelt. Aber man hat an die mobile Lesbarkeit gedacht und damit aktuellen Studien entsprochen.
Der zweite Eindruck: viele Berufe, ein Zukunftsplaner und bunte Bilder
Kernstück der Kampagne ist der Zukunftsplaner, bei dem jeweils 3 persönliche Interessen und Fähigkeiten angeben werden können. Ein ganz klein wenig ein Cultural Fit- Test, wobei das ganze längst nicht so komplex ist wie bei den Lechwerken. Ergebnis des Planers sind dann durchaus viele Berufsbilder, über die man sich weiter informieren kann. Die Vielfalt des öffentlichen Dienstes wird damit wirklich gut präsentiert.
Einige Videos im (leider) üblichen Hochglanzstil komplettieren das Ganze. Wie authentisch die Kampagne insgesamt ist? Meiner Meinung nach ist ein Einblick in die Kultur und die konkreten Aufgaben nicht gegeben. Aber jeder macht sich hier sicher sein eigenes Bild.
Einstellungsvoraussetzungen als Marketingbotschaft
Mit einer Prozentzahl à la Whatchado gibt der Zukunftsplaner die Passung zu den Berufen an. In jedem Berufsbild gibt es Bild und Text in den Rubriken „Der Beruf“, „Die Einstellungsvorraussetzungen“ und “Die Chancen“, wobei letzteres eher „Einsatzmöglichkeiten“ heißen müsste. Chancen, Karrieremöglichkeiten oder sogar Werbung für den jeweiligen Beruf findet man hier nur wenig.
Viel ausführlicher werden Einstellungsvoraussetzungen dargestellt, was eher den Eindruck von Barrieren, denn einer Einladung zur Bewerbung vermittelt. Als Personaler im öffentlichen Dienst habe ich dafür grundsätzlich Verständnis. Ich stelle es mir aber einigermaßen frustrierend vor, den Zukunftsplaner zu nutzen, meinen Traum-Beruf auszuwählen und dann erst festzustellen, dass ich die Einstellungsvoraussetzungen wegen des „falschen“ Schulabschlusses nicht erfülle.
Vielfalt und Wissen – Wer bewirbt sich hier bei wem?
Aber halt! Da gibt es doch noch die Rubrik „Vielfalt und Wissen“, die mit sehr, sehr viel Text die Vorteile des öffentlichen Dienstes erklärt. Diese Information hätte ich unter dieser Überschrift nicht zwingend vermutet, aber zumindest reißt man die Rahmenbedingungen an. Eine Infographik hätte sicher für mehr Übersichtlichkeit gesorgt.
Was mich immer wieder etwas ratlos zurück lässt, ist der sparsame Umgang mit dem Thema Bezahlung. Ein beliebtes Vorurteil. Es gibt das Beamtenrecht bzw. den TVöD, der hier ganz klare Vorgaben macht. Warum bindet man dann nicht einen Gehaltsrechner ein und zeigt damit auch, das man im öffentlichen Dienst so schlecht nicht verdient? Das interessierte Bewerber gerne wissen möchten, was sie verdienen, bevor sie sich die Arbeit einer Bewerbung machen, ist doch nachvollziehbar. Daher meine Frage: Wer bewirbt sich mit der Kampagne bei wem?
Viele Arbeitgeber – alle gleich?
Zwei Rubriken gibt es noch: Zum einen arbeitet man ja nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern in einer konkreten Kommune. Und Wow, hier machen richtig viele Städte mit!
Leider bleiben die Informationen genau an der Stelle, wo es interessant wird, hinter den Erwartungen zurück. Die fehlende Differenzierung der Städte bietet leider keine Orientierung:
- Ein Einblick in die jeweilige Unternehmeskultur? Fehlanzeige
- Darstellung, was das Arbeiten im Gegensatz zu anderen Städten besonders interessant macht? Nicht erkennbar
- Die durchaus vorhandene individuelle Positionierung der verschiedenen Arbeitgeber im Personalmarketing? Verschwunden
Gerade dieser Punkt stellt einen Bruch dar. Die Kampagne ist in der Personalgewinnung der Arbeitgeber nicht bzw. zu wenig verankert. Vielleicht habe ich eine gelungene Verknüpfung aber auch übersehen, denn ich habe nicht alle Städte angeklickt. Und da fällt mir ein: Warum sollte das der Bewerber tun?
Unter der Rubrik „Zu Hause“ eine interaktive Karte mit den Stellenangeboten der Umgebung und dem Anfahrtsweg vom Wohnort zum Wunscharbeitgeber hätte gut getan.
Bewerben!
Unter diesem Button finden sich doch mit Sicherheit die Stellenanzeigen im Design der Kampagne mit Bezug zu den präsentierten Berufsfeldern.
Oder auch nicht. Hier sind die Jobs auf den jeweiligen Karrierepages ohne Bezug zur Kampagne verlinkt. Warum hat man nicht ein gemeinsames Job-Board kreiert oder einfach Interamt um eine Kooperation gebeten? Schließlich haben sich die Kollegen zur deutschlandweiten Jobbörse im öffentlichen Dienst gemausert.
Dann noch eine Frage loswerden. Name, Telefonnummer und E-Mail mögen inzwischen Usus sein, im öffentlichen Dienst ist dies aber erfahrungsgemäß schon etwas Besonderes. Auf ein Xingprofil, Whatsapp oder andere Social Media – Kanäle zur Bewerberkommunikation verzichtet man aber leider. Obwohl ja die Social Media Kampagne bereits angekündigt ist. Es bleibt spannend.
Auch dahingehend, wie die Kampagne weiterlebt. Wird es einen gemeinsamen Arbeitgeberstand auf Karriere-Messen geben? Wer beantwortet eine Anfrage unter „Kontakt“ (zum Beispiel was einem eine Stellenanzeige „Referent“ sagen soll)? Wer betreut die Kanäle in den sozialen Medien? Dies kann letztendlich glaubwürdig nur durch die beteiligten Städte erfolgen.
Fazit: Wir machen`s öffentlich, aber (noch) nicht zu viel
Mit „Wir machen’s öffentlich!“ gibt es endlich wieder eine übergreifende Kampagne für den öffentlichen Dienst. Und trotz der Kritik ist diese wirklich nett anzusehen. Die Vielfältigkeit der beruflichen Möglichkeiten wird deutlich und das ist sehr viel wert. Baden-Württemberg hat Mut bewiesen und setzt sich damit an die Spitze des Personalmarketings im öffentlichen Dienst. Bravo!
Die Zielgruppe ist allerdings etwas schwammig. Schüler und Berufserfahrene – beide will man erreichen. Das klappt aber nicht (wenn das überhaupt machbar ist). Und dann soll die Kampagne noch Information für interessierte Bürger bieten. Das ist Zu viel des Guten. Vielleicht hätte es eine Zielgruppe getan bei der man vorab das Bild über den öffentlichen Dienst erhoben hätte, um dann mit einer Kampagne zu reagieren. Kann man so machen. Das Kampagne und Arbeitgeberseiten mit den dortigen Stellenanzeigen nicht aufeinander aufbauen, kann schnell behoben werden.
Es bleibt der Eindruck, dass man sich dem Bewerber ein gutes Stück öffnet, sich aber auch nicht wirklich bei den Zielgruppen bewirbt. Die Einstellungsvoraussetzungen sind dafür zu präsent und es fehlt an Differenzierung, Authentizität und Einblicken hinter die Kulissen. Damit ist man hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. So richtig öffentlich, wie es der Slogan verspricht, ist man nicht. Man macht es nur ein bisschen öffentlich.
Immerhin! Weiter so!
Stefan Döring
Dieser Beitrag ist zuerst auf personalblogger.net erschienen.