Man kann nicht nicht kommunizieren.
Organisationen haben immer eine Marke, ob sie Marketing machen oder nicht.
Diese beiden Grundsätze gelten auch für das Employer Branding, die Unternehmenskultur und jede CSR-Bemühungen.
Gerade in Krisenzeiten wie der Coronapandemie zeigt sich dies deutlich. Plötzlich zahlt der hippe Markenhersteller mit Millionengewinn keine Miete mehr, die eben noch ach so wertgeschätzten Beschäftigten werden gnadenlos gefeuert und eigentlich inakzeptables Führungsverhalten wird akzeptiert. HR liefert da leider auch nicht immer ein gutes Bild ab.
Es stellt sich die Frage, welche Folgen dies für das Personalmarketing hat. Gibt es auch Arbeitgeber, die durch ihr Verhalten in der Corona-Krise im Employer Branding profitieren? Wie schlägt sich der Public Sector und was gibt es für das Personalmarketing im öffentlichen Dienst zu tun?
Systemrelevanz: Public Sector
Ich hatte schon viele Diskussionen über die Sinnfrage im Beruf. Welche Arbeitgeber haben wirklich einen sinnstiftenden Auftrag zum Wohle der Gesellschaft? Kann dagegen das Arbeiten in Banken, Unternehmensberatungen oder im Automotive-Bereich wirklich sinnhaft sein? Als Beispiel hier die Diskussion mit meinem sehr geschätzten HR-Kollegen Tim Verhoeven auf Twitter:
Natürlich kann jeder in seinem Beruf Sinn empfinden, aber Corona zeigt sehr deutlich, auf welche Berufe es wirklich ankommt:
- Da wird die schnelle Reaktion der eher ungern gesehenen Finanzbeamten wertgeschätzt.
- Darüber, dass die Müllabfuhr weiter fährt, freut man sich dieser Tage.
- Für Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte wird applaudiert.
- Ohne die nicht selten belächelten Jobs in Gemeindeverwaltungen würde vielerorts nichts mehr gehen.
- Ob Zeitarbeit oder gleich gekündigt – die Beschäftigten der Arbeitsagenturen geben ihr Bestes.
- Polizei, Rettungssanitäter, Gesundheitsamt – alle zeigen, wie wichtig sie für uns alle sind.
Ich spreche von der Systemrelevanz des öffentlichen Dienstes. Leider braucht es scheinbar Krisen, um die Sinnhaftigkeit dieser Berufe für unsere Gesellschaft deutlich zu machen. Dennoch ist die aktuelle Wertschätzung eine Chance für die Personalgewinnung nach der Krise.
Wir gemeinsam
Aufträge brechen weg. KMU wie auch Konzerne haben für ihre Beschäftigten keine Aufgaben mehr.
Viele Organisationen gehen auch in dieser Situation fair mit ihren Beschäftigten, Lieferanten und Kunden um. Löhne werden gezahlt, Rechnungen gestundet, Anzahlungen vereinbart. Gekündigte Mitarbeiter bekommen Bewerbungstrainings und Hilfe für den Gang zu Arbeitsamt. In Unternehmen mit einer gesunden Kultur rücken die Beschäftigten zusammen, unterstützen die Geschäftsführung und helfen sich gegenseitig.
Viele, aber bei weitem nicht alle handeln so. Lieferanten, Vermieter und Freiberufler werden nicht bezahlt – trotz Milliardengewinne und bestens ausgestatteter Finanzpolster. Beschäftigte werden leider auch jetzt gekündigt nach dem Motto
Hau ab, wir brauchen dich nicht mehr!
CSR-Regeln, die auf Hochglanz polierten Unternehmenswerte und auch das Versprechen der Arbeitgebermarke werden binnen Sekunden über den Haufen geworfen. Alles Bling, Bling und nur schöner Schein.
An Organisationen, für die die Slogans der Arbeitgebermarke nicht nur leere Versprechen sind und die diese gerade in der Krise tatsächlich leben, wird man sich erinnern. Ganz ohne teure Marketingbudgets.
Hier kann der Public Sector punkten. Ein starkes Wir-Gefühl, Zusammenhalt, hohe Motivation und behördenübergreifende Kooperation werden Vielen im guten Gedächtnis bleiben.
Flexibel und schnell
Behörden gelten als schwerfällig und nur bedingt innovationsfreudig. Ich selbst halte viele Vorträge und Workshops rund um Digitalisierung der Verwaltung. Dabei sehe ich langsame Prozesse, ausgeprägtes Silodenken und fehlende Veränderungsbereitschaft. Auch fehlt es oft an Geld für Technik.
Ich erlebe aber auch viel Innovation, Ausprobieren, Agilität und Mut in den Behörden. Und genau das zeigt sich in der Krise besonders. Was da aktuell alles geht, ist beeindruckend. Da werden die kurzfristigen politischen Entscheidungen in den Verwaltungen mit hoher Geschwindigkeit umgesetzt, neue Lösungen und Prozesse etabliert und Personal flexibel eingesetzt. Auch die IT in den Behörden zeigt ihre Leistungsfähigkeit und Flexibilität.
Und ja, da kann sich die Wirtschaft einiges abschauen! Wenn ich die Reaktion so manch angeblich hipper Start-ups, Mittelständer und Konzerne sehe, dann staune ich: Keinerlei Vorbereitung auf Homeoffice, gähnend langsame Reaktionen auf wegbrechende Geschäftszweige, Ideenlosigkeit und schlechtes Personalmanagement.
Hier wird sich das Bild des angestaubten öffentlichen Arbeitgebers nachhaltig wandeln. Eine Chance für den Fachkräftemangel der Branche.
Wie der Public Sector morgen in der Personalgewinnung profitieren kann
Nicht nur die Betroffenen von schlechtem unternehmerischen Handeln werden sich nach Alternativen umschauen. Sondern auch viele andere Menschen werden sich in einer wiedererstarkten Wirtschaft an die Branchen und Berufe erinnern, die wirklich sinnhaft sind und einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.
Ja, ich weiß, dass der Mensch schnell vergisst. Nennt mich Idealist, aber ich glaube fest daran, dass sich – endlich – auch das Bild von den Berufen des öffentlichen Dienstes wandelt: stärkere Wertschätzung und mehr Stolz.
Kurzfristig muss man aber feststellen, dass wegbrechende Gewerbesteuereinnahmen den meisten (kommunalen) Behörden finanzielle Schwierigkeiten bereiten werden. Das wird kurzfristig Einstellungsstopps nach sich ziehen. Dennoch gilt es für die Organisationen und Behörden, sich bereits heute auf den Fachkräftemangel von morgen vorzubereiten:
- Die Botschaft des Employer Brandings kann einfach sein, muss aber transportiert werden. Es gilt, professionelles Personalmarketing zu betreiben:
- Sinnhaftigkeit, Sicherheit, Zukunft, Innovation, Digitalisierung gelten für die meisten Behörden. Jetzt gilt es, ein Alleinstellungsmerkmal zu anderen Behörden zu definieren und zu platzieren.
- Viele Arbeitgeber des Public Sectors stellen sich spätestens durch grauenhafte Bewerbungsprozesse selber ein Bein. Hier gilt es nachzusteuern: schneller, digitaler, valider.
- Personalerhalt ist das beste Recruiting. Damit nach der Krise nicht viele Kollegen hinschmeißen, müssen Politik und Tarifvertragsparteien umdenken: Das öffentliche Gesundheitswesen und die Pflege dürfen kein Gewinn erzielen müssen. Personelle Ausstattung muss gestärkt werden und die Löhne müssen an der Systemrelevanz gemessen und deutlich nach oben angepasst werden.
Wenn der Public Sector diese Hausaufgaben jetzt angeht, kann er deutlich gestärkt in der Konkurrenz um Fachkräfte aus der Krise hervorgehen.
Leider besteht die Gefahr, dass in Zeiten kurzfristiger finanzieller Schieflagen keine Anstrengungen in Employer Branding gesteckt werden. Ich befürchte, dass der positive Effekt so schnell verpufft.
Gerechtigkeit. Jetzt. Alle.
Ich sage es ganz klar: Das allein reicht nicht!
Heute Systemrelevant, Sinnhaft, Flexibel.
Morgen Pleite, Burn out, Frustriert.
Die Welle der Zustimmung, der Attraktivität und des Stolzes wird nicht reichen, wenn Beamte oder Tarifbeschäftigte im mittleren Dienst, Krankenschwestern, Pfleger oder Kita-Personal ihre Miete in Großstädten nur knapp bezahlen können.
Ich halte es für absolut richtig, diese Diskussion JETZT zu führen. Auch, wenn der Vorwurf der Erpressung im Raum steht. Morgen, wenn die Krise vorbei ist, geht es sonst weiter wie bisher. Und wir erleben gerade: So darf es nicht weiter gehen.
Aber wir alle sind gefordert!
Sind wir bereit, deutlich höhere Gesundheitskosten oder KITA-Beiträge zu zahlen? Stimmen wir einem verpflichtenden sozialen Jahr für alle zu? Zahlen wir ohne Gejammer mehr Steuern, wenn diese dem Public Sector zugutekommen?
Bevor wir diese Fragen nicht mit „Ja“ beantworten können, brauchen wir uns nicht beschweren, wenn nach der Krise eine epische Personalflucht nicht nur in Kliniken und Pflegeheimen einsetzt.
Ein Lobesgesang auf öffentlich-rechtliche Arbeitgeber… ob das mit der Sinnhaftigkeit wirklich das ist, was bei Mitarbeitern und Bewerbern ankommt!?
Wenn ich Bewerber frage, weshalb sie denn beim „Amt“ arbeiten wollen, kommt fast immer als (einzige) Antwort: Das ist ein sicherer Arbeitgeber.
Und in Zeiten wie diesen wünschen sich die Menschen natürlich noch mehr davon – Sicherheit. Allein (schon) deshalb, gewinnt der öffentliche Sektor als Arbeitgeber mit seiner „Marke.
Aber ja, was ich bei Amt und Behörde schon lange vermisse, ist Employer Branding. Klar, die Polizei und ein paar andere haben es vielleicht verstanden. Doch geben die Kommunen und Kreise über sich als Arbeitgeber preis? Von Unternehmenskultur ist da nix zu lesen. Immerhin werden die Verdienstmöglichkeiten angegeben, so dass Bewerber sich schon der eigenen Bewerbung aussortieren können.
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