Vor kurzem habe ich gehört, dass in einer Personalabteilung eines großen Unternehmens eine Stelle als „Qualitätsmanager HR“ eingerichtet werden soll. Meiner anfänglichen Begeisterung folgte Ernüchterung, als ich die Frage stellte, was dieser Qualitätsmanager eigentlich genau tun soll. Die Antwort war eher…naja, sagen wir: schwammig.
Meinen ersten Beitrag in diesem Jahr möchte ich daher der Frage widmen: Was kann Qualität im Personalmanagement sein und welche Aufgaben hat dann ein solcher „Qualitätsmanager HR“?
Ich stelle im Folgenden meine Sicht der Dinge dar und erhebe explizit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte vielmehr zur Diskussion anregen und rufe daher dazu auf, zu ergänzen und gern auch zu widersprechen.
1. HR als Dienstleistung?
Zunächst bedarf es der Überlegung, was Personalarbeit eigentlich ist. Ich stelle daher zu Beginn meiner Überlegungen die gewagte These auf, dass unternehmensinternes Personalmanagement eine Dienstleistung ist. Gewagt deshalb, weil ich diesen Punkt schon mehrfach diskutiert habe und mir – zuletzt auf dem HR-BarCamp – neben viel Zustimmung auch Widersprüche entgegnet wurden. Haupttenor war: „Ich will nicht nur Kundenwünsche erfüllen; ich will pro-aktiv arbeiten.“
Ist vorausschauendes Handeln wirklich ein Widerspruch zum Dienstleistungsgedanken? Auf gesellschaftliche und technische Veränderungen sowie verändertes Kundenverhalten reagieren, neue Services entwickeln, diese vermarkten bzw. intern erklären, um neue Kunde zu gewinnen, sind Aufgaben jedes Dienstleisters, um sein Überleben oder seine Berechtigung im Unternehmen langfristig zu sichern. Ich bleibe daher dabei: HR ist eine Dienstleistung!
Um sich der Diskussion Qualität einer Dienstleistung HR zu nähern, betrachte ich Services auf 3 Dimensionen:
Tiefer möchte ich an dieser Stelle nicht einsteigen, aber deutlich machen, dass es eines Managements von Qualität von HR auf allen 3 Ebenen bedarf.
2. Kundenbedürfnisse
Wenn man meiner Annahme, dass Personalmanagement eine Dienstleistung ist, folgt, dann reicht es nicht, am Montag morgen das Team um sich zu sammeln und zu verkünden: „Wir sind ab heute ein (unternehmensinterner) Dienstleister!“ HR steht vielmehr plötzlich vor der Frage, für wen man eigentlich welchen Service erbringt. Ich meine die Fokussierung auf Kundenbedürfnisse und die Gegenüberstellung mit dem Ergebnis des Services HR. Dies ist um so brisanter, da der Kunde selber an der „Erstellung“ der Dienstleistung beteiligt ist, diese während des Entstehens gleichzeitig in Anspruch nimmt und das Dienstleistungsergebnis immaterieller Natur ist.
Verkürzt wäre die Annahme, dass man eh nur das tut, was die Unternehmensleitung will. Ich plädiere viel mehr dafür, sich der Frage der Kunden oder auch gern Stakeholder zu stellen und systematisch zu erfassen, wer eigentlich was von HR will und warum. Ergebnis wird beispielsweise sein, dass der Bewerber als Kunde deutlich in den Fokus rücken wird. Auch wird klar werden, dass die Unternehmensleitung nicht nur die Umsetzung der Unternehmensstrategie verlangt, sondern auch einen Input für die Strategieentwicklung erwartet. Hoppla, das kommt uns doch bekannt vor: Plötzlich ist HR als „Strategischer Partner“ genau da, wo es seit Dave Ulrich hin will.
3. HR-Output
In diesem Zusammenhang ist die Beschäftigung mit einem „Ergebnis“ der Dienstleistung HR wesentlich. Was beim Entgelt oder der Administration noch einfach ist, wird bei der Beratung oder der Personalgewinnung schon schwieriger. Wann ist beispielsweise der Recruitingprozess „erfolgreich“ abgeschlossen? Wenn der Bewerber ausgewählt wurde, wenn er den Vertrag annimmt, tatsächlich die Stelle antritt oder nach 6 Monaten einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet? Egal wie das Ende der HR-Dienstleistung definiert wird, der Kunde wird beurteilen, ob er mit dessen Qualität zufrieden ist.
Hand aufs Herz: Wie viele Personalabteilungen erheben umfassend, was die Kunden wollen, wie zufrieden sie mit der HR-Leistung sind und richten sich strategisch daran aus? Wer berechnet seinen Output im Sinne eines Preises, stellt diesen intern in Rechnung und macht sich dadurch mit externen Anbietern vergleichbar? Und nun die aus meiner Sicht wichtigste Frage zu diesem Punkt: Wer betreibt systematisch HR-Trendforschung, entwickelt neue Dienstleistungen und weckt im Unternehmen Kundenbedarfe? Meiner Ansicht nach sind dies Aufgaben eines „Qualitätsmanagers HR“.
4. Qualität mit Blick auf HR-Prozesse
Wenn das Ergebnis einer Dienstleistungen optimal ist, werden Kunden dennoch nicht zwingend zufrieden sein. Vielmehr trägt auch die Kundenbetreuung dazu wesentlich bei. Worauf ich abziele, ist der Dienstleistungsprozess als zweite Dimension.
Meine Frage: Seid Ihr wirklich sicher, dass sich jeder Kollege in Eurer Personalabteilung dienstleistungsorientiert verhält? Ich erinnere an dieser Stelle noch mal an Candidate Experience oder an die leider große Unzufriedenheit der Führungskräfte mit den Personalabteilungen.
Erfahrungsgemäß wissen weder Mitarbeiter noch Bewerber, wie und warum HR-Prozesse so ablaufen, wie sie eben ablaufen. Auch erlebe ich regelmäßig Unsicherheiten der Führungskräfte über deren notwendigen Input – z.B. in der Personalauswahl. Weil dem so ist, ist es nicht verwunderlich, dass dieselbe Führungskraft, die den langen Auswahlprozess bei HR kritisiert, selber 8 Wochen für eine Rückmeldung auf die Bewerberprofile braucht.
Es bedarf einer maximalen Transparenz der HR-Prozesse, um zu ermöglichen, dass die Kunden ihren notwendigen Beitrag zur Dienstleistungserstellung optimal erbringen können. Das setzt natürlich voraus, dass die Prozesse beschrieben sind: Mittels Blueprint beispielsweise den Recruitingprozess abbilden und mit den Kunden Service-Level-Agreements abschließen, die dann für jede Phase des Prozesses controllt werden.
Geht nicht? Zu aufwendig? – Warum eigentlich? Ich bin überzeugt, dass ein „Qualitätsmanager HR“ diese Schritte gehen muss, um in einem kontinuierlichen Verbbesserungsprozesses die HR-Services immer wieder zu hinterfragen und zu optimieren.
5. Kompetente HR-Abteilung
Neben den beiden Dimensionen Ergebnis und Prozess stellt sich drittens die Frage: Kann die Personalabteilung überhaupt die Kundenbedürfnisse erfüllen? Sind die richtigen Kompetenzen „an Bord“? „Personal kann Jeder“ oder „Personaler können alles“ funktionieren in diesem Zusammenhang nicht. Für die Sicherstellung des notwendigen KnowHows und den Aufbau einer die Services unterstützenden Organisation wäre aus meiner Sicht ebenfalls der „Qualitätsmanager HR“ zuständig.
Werden die Kundenbedarfe zum einen, die aktuellen HR-Prozesse zum zweiten und die in der Personalabteilung vorhandenen Kompetenzen als drittes abgeglichen, werden Stärken und Schwächen sichtbar und strategische Richtungsentscheidungen möglich. Die braucht es auch, denn kein Dienstleister kann überleben, wenn er alles ein bisschen macht und sich nicht strategisch positioniert. Das leuchtet ein, aber irgendwie scheint das nicht für HR zu gelten.
6. „Haben wir immer schon so gemacht“
Puh, ganz schön viele Aufgaben für diese Position. Aber es könnte funktionieren und vielleicht dadurch die Personalabteilung im Unternehmen deutlich aufwerten. Warum tut sich HR dabei jedoch so schwer? Ich befürchte, dass es bereits an der eingangs geschilderten Grundannahme scheitert, dass HR eine Dienstleistung ist. Gern würde ich das Thema hier weiter vertiefen und auf einen größeren Exkurs in die Dienstleistungsforschung gehen, aber das soll ein Blog-Beitrag bleiben. Vielleicht habt Ihr ja in einiger Zeit Gelegenheit, meine dann abgeschlossene Dissertation zu diesem Thema zu lesen.
Selbst wenn ein „Qualitätsmanager HR“ alle diese Aufgaben tatsächlich übernehmen darf, möchte ich einen letzten Punkt ansprechen: Werden seine Empfehlungen bezüglich Strategie der Personalabteilung, Optimierung der Prozesse und Ergebnisse angenommen? Oder verpuffen seine Vorschläge an einem „Haben wir immer schon so gemacht“? Nur in einer hierarchieübergreifenden Querschnittsfunktion wird der „Qualitätsmanager HR“ erfolgreich agieren können.
Jetzt interessiert mich aber, welche Anmerkungen, Ergänzungen und Kritik Ihr habt. Kann die Beschäftigung mit Qualität einer Dienstleistung HR die „Schankse“ für die interne Personalabteilung sein? Ich freue mich auf die Diskussion und wünsche Euch allen ein frohes und erfolgreiches Jahr 2015!
Viele Grüße,
Stefan Döring
Dieser Beitrag zuerst auf personalblogger.net erschienen.