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New Work im Public Sector

New Work im öffentlichen Dienst – Feigenblatt oder New Normal?

Als ich vor vielen Jahren das erste Mal Kontakt mit dem Thema New Work hatte, war ich einigermaßen begeistert. Die Grundideen passten zu meinen Vorstellungen von Arbeit und Führung.

In den Folgejahren habe ich New Work in unzähligen Vorträgen und Seminaren auch dem Öffentlichen Dienst näher gebracht. 2018 wurde ich für den New Work Award nominiert – als Vorreiter im Public Sector. Natürlich gehöre ich zu den Erstunterzeichnern der New Work Charta von humanfy.

Dennoch ist es etwas ruhig um das Thema geworden. Und dann kam Corona. Plötzlich wurde überall im Homeoffice, mobil und per Videotelefonie gearbeitet. Die Krise führte zu einem neuen Trend für New Work – auch im öffentlichen Dienst.

Aber was steckt dahinter? Ist wirklich New Work oder doch nur Telearbeit flexibles Arbeiten gemeint? Wo liegt der Unterschied? Welche Chancen bieten sich Behörden? Meine Antworten:

New Work ist mehr als Homeoffice. Viel mehr!

Die Aussage von Frithjof Bergmann, der den Begriff New Work geprägt hat, ist bezeichnend:

„Arbeit ist das, was wir wirklich, wirklich wollen.“

Ein Job, der uns nicht erfüllt, für den andere die Verantwortung übernehmen und der keinen Sinn stiftet, ist nicht New Work. Ob wir nun im Büro arbeiten oder im Homeoffice, morgens, abends oder rund um die Uhr, für viel Geld oder wenig, mit Anerkennung oder eher unbemerkt.

Es ist daher gefährlich, das – aus der Krise geborene – mobile Arbeiten als New Work zu bezeichnen. Wer das tut, wird unglaubwürdig. Bergmanns Idee wird damit unrecht getan. Aber genau das passiert gerade. Zeit, ein paar Punkte klar zu stellen:

Es ist an der Zeit, Führung zu hinterfragen!

In Vorträgen stelle ich gerne die Frage, wann Führung erfolgreich ist.

Die Antwort fällt alles andere als leicht. Aber im Grunde geht es auf der einen Seite darum, dass das Team mit Führungskraft erfolgreicher ist, als ohne. Die Folge ist, dass es eine Führungskraft auch nur dann braucht, wenn das Team nicht mehr alleine klarkommt. Sei es, weil die Anzahl der Mitglieder zu hoch, deren Meinung zu divers oder die Situation zu komplex ist.

„Geht es nicht auch ohne Führung?“

Ich glaube ja. Wer Arbeit unter Gesichtspunkten von New Work organisieren will, muss Führung also viel stärker hinterfragen. In aller Regel weiß das Team schon ganz gut alleine, was es zu tun hat. Selbstverantwortung ist nicht umsonst ein Wert der New Work Charta.

Richtig schlimm wird es, wenn Führung das Team sogar behindert – sei es, weil es unnötige Meetings gibt, Entscheidungen (die man hätte alleine treffen können) nicht getroffen werden oder die zeitliche Überlastung der Führungskraft zum Bottleneck für alle wird. Es gibt kaum etwas Frustrierenderes.

Warum aber fällt der Verzicht auf Führung so schwer? Weil Führung oft als Karriere missverstanden wird. Immer wieder wird um Personen herum organisiert – um ihnen Führung und damit Beförderung zu ermöglichen. Auch gibt es darum keinen Weg zurück aus der Führung – selbst wenn die Person erkennt, dass sie nicht führen kann oder mag.

Daher mein Aufruf an die Tarifvertragsparteien und die Gesetzgeber des öffentlichen Dienstes, die Kopplung von Führung und Führungsspanne an Entgeltgruppen und Besoldungsstufen zu beenden und Fachkarrieren in allen Laufbahnen einzuführen!

Es gibt nicht den einen guten Führungsstil!

Oben habe ich geschrieben „Aber im Grunde geht es auf der einen Seite darum, dass das Team mit Führungskraft erfolgreicher ist, als ohne.“ Leider ist das für viele Organisationen der einzige Aspekt. Es gibt aber noch einen zweiten:

„Wer definiert, was gute Führung ist?“

Wenn das Team mit seiner Führungskraft glücklich ist, dann sind wir New Work einen guten Schritt näher. Weiterempfehlungsrate, Krankheitsquote, Fluktuation – Kenngrößen für gute Führung. Manch Organisation geht noch weiter und lässt ihre Führungskraft gleich wählen. Aber keine Angst, das wäre jetzt nicht meine erste Empfehlung an Behörden ;-).

Dennoch werden für mich damit unter New Work Gesichtspunkten die Hochglanzbroschüren über den gewünschten und als „gut“ definierten Führungsstil der Organisationen infrage gestellt. Wenn das Team mit einem Laissez-Faire-Führungsstil total glücklich sind, wird die transformativ handelnde Führungskraft auf Ablehnung stoßen. Anders herum wird die eigentlich bestens passende Führungskraft im Auswahlprozess aussortiert, weil sie das eine, starr fixierte Führungsideal der Organisation nicht erfüllt.

Solch starre Führungsgrundsätze haben noch mehr Nachteile, weil sie meist 1:1 umgesetzt werden. Da gibt es Chefinnen und Chefs, die gehen morgens durchs Büro und fragen, wie das Wochenende war. Es interessiert sie nicht die Bohne (was alle merken), aber so haben sie es in der Schulung gelernt. Da werden Meetings anberaumt, damit „man sich mal wieder sieht“, obwohl das Team den ganzen Tag eng zusammen arbeitet.

Und dann wieder gibt es die, die führen engagiert und zum Wohl der Kollegen – sind aber offiziell keine Führungskraft. Es läuft so Einiges schief. Wir müssen Führung unter New Work wieder viel mehr als etwas Situatives sehen.

Führung geht nur gemeinsam!

„Wer ist schuld, wenn es bei der Führung knirscht?“

In der Regel lautet die Antwort: die Führungskraft. Es werden Schulungen und Coachings angeordnet, die das Führungskorsett der Organisation abbilden. Das genaue Gegenteil von New Work ist auch, wenn Mitarbeiter beim Öffnen der Bürotür (oder Anschalten des Notebooks daheim), die Verantwortung für sich und ihren Job abgeben. Die Führungskraft macht es schon. Wir brauchen uns nicht wundern, dass die Jüngeren nicht mehr führen wollen!

Wenn das Team nicht mitspielt, wird die beste Führungskraft scheitern. Führung ist ein Geben und Nehmen. Wenn gefragt wird, ob das Team eine Meinung oder Idee hat, und alle schweigen, dann wird ziemlich sicher nur die zweitbeste Entscheidung getroffen werden. Führungskräfte brauchen Feedback, Lob und Kritik. Ich bin überzeugt, bevor wir New Work umsetzen können, brauchen wir Seminare nach dem Motto „Wie lasse ich mich richtig führen?“

Jeder muss mithelfen, damit Führung gelingt! Und ja, sich seine Führungskraft – ein Stück weit – zu erziehen, ist legitim.

Freiheit ergibt Sinn!

Es gibt für mich kaum etwas Sinnhafteres, als im öffentlichen Sektor zu arbeiten. Keine CSR-Bemühungen kommen da heran. Da hat der Public Sector den anderen Branchen im Sinne von New Work etwas voraus.

„Gute Idee, machen wir auch nicht.“

Sinn empfinden viele, wenn ihnen das große Ganze bekannt ist. Leider bleibt hier die interne Kommunikation viel schuldig. Sinnhaft wird auch die Möglichkeit empfunden, Ideen und Innovationen vorschlagen zu können, die dann aufgegriffen und ausprobiert werden. Solange aber in Führungsetagen entschieden wird, was eine gute Idee ist, brauchen wir uns um New Work nicht bemühen. Einige Organisationen experimentieren daher bereits mit Futurecamps oder Innovation Hubs – außerhalb der Hierarchie.

Wer ausprobiert, macht Fehler. Bestenfalls lernen alle daraus. Fehlerkultur ist in dem von Perfektionismus geprägten öffentlichen Sektor mit seinem Anspruch auf jederzeit rechtlich einwandfreie Handlungen leider weitgehend noch nicht Realität. Eine große Baustelle auf dem Weg zu New Work.

Leistung durch Vertrauen!

Wenn verdachtsunabhängige Kontrolle der Zeiterfassung fester Bestandteil des Selbstverständnisses von Personalern und Führungskräften ist, dann ist die Organisation ganz weit weg von New Work. Das macht nicht erst seit dem Homeoffice keinen Sinn mehr. Damit wird Anwesenheit und bestenfalls die richtige (kreative) Nutzung des Zeiterfassungssystems kontrolliert. Aber mit Sicherheit nicht Leistung, Motivation oder Treue. Wer als Führungskraft nicht weiß, wer von seinem Team viel oder weniger leistet, der macht was falsch – ob Homeoffice oder Büroschreibtisch.

Leistung oder Anwesenheit?

Vertrauen in die eigenen Leute, ihre Ideen, Fachlichkeit und Treue erzeugt so viel positive Job-Energie. Ich kenne so viele Highperformer, die weit über das normale Maß arbeiten, brav ihre 8 Stunden ins System eintragen und weiterarbeiten – auch und gerade in Behörden. Sie haben Ideen, bringen sich ein, melden sich freiwillig. Weil man sie machen lässt. Statt Kontrolle der Zeiterfassung ist hier Aufgabe der Führungskraft, Entgrenzungstendenzen und Burnout zu verhindern.

Es bedarf einer anderen Einstellung in vielen Behörden zu ihren Mitarbeitern. Nicht umsonst bedeutet New Work in erster Linie Kulturwandel.

Verwaltung kann auch cool sein!

Dies sind nur einige grundlegende Themen, wenn es um New Work in Organisationen und speziell dem öffentlichen Dienst geht. Wenn Behörden und Verwaltungen die Herausforderungen angehen, bestehen gute Chance, dass die Branche ein Vorreiter sein kann.

Wer mehr von meiner Einstellung zu New Work hören mag, dem sei mein Interview mit Markus Väth, der das Thema stärker als kaum jemand anders in Deutschland vertritt, im Podcast als Herz gelegt.

In diesem Sinne: #VerwaltungKannAuchCoolSein

 

Vg, Stefan Döring

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